Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Druckerei im Keller

Die Verantwortung für die technische Fertigung des „Vorboten“ lag bei Jakob Faulhaber, dessen Schreibmaschine und ein Abziehgerät im Keller von Philipp Brunnemer, (damals Margaritenweg, jetzt Philipp-Brunnemer-Weg 3) aufgestellt war. Johann Kupka brachte die Manuskripte zur Tochter Brunnemers, Käthe Seitz, nach Heidelberg, welche die Texte auf Matrizen tippte. Diese wurden zu Winterhalter gebracht, Maus und Brunnemer vervielfältigten die Zeitungen, die dann an Lechleiter zur Verteilung weitergegeben wurden.

Im Februar 1942, als Käthe Seitz gerade die 5. Ausgabe des „Vorboten“ auf Matrizen schrieb, erhielt sie die Mitteilung, dass Georg Lechleiter, Jakob Faulhaber, Rudolf Langendorf, Ludwig Modrzyk und Anton Kurz verhaftete worden sind. Die sofortige Vernichtung des Materials und die Beseitigung der Schreibmaschine konnte sie und ihren Mann Alfred Seitz, ihren Vater Philipp Brunnemer, Eugen Sigrist, Max Winterhalter, Robert Schmoll, Johann Kupka, Rudolf Maus, Daniel Seizinger u.a. aber nicht vor der Verhaftung bewahren.

Die Stapoleitststelle (Staatspolizeileitstelle) Karlsruhe schrieb dazu: „Lechleiter, früher Fraktionsführer der KPD im Badischen Landtag und zu den rührigsten Kommunisten Badens zählend sowie Faulhaber, ebenfalls ehemaliger kommunistischer Funktionär, waren die geistigen und treibenden Kräfte der aufgedeckten Gruppe. Lechleier hatte den Zellenaufbau in den Betrieben organisiert, die Verbindungen zwischen den einzelnen Betrieben hergestellt und schließlich die erwähnte Hetzschrift verfasst. Faulhaber war Leiter des technischen Apparates und hatte maßgeblichen Anteil an der Herstellung der Schrift sowie die illegalen Verbindungen zwischen den Betriebszellen aufrecht erhalten.“

Weitere Zitate: „Moldrzyk, Halbjude, ehem. Gruppenkassierer der KPD, der bereits im KL. (Konzentrationslager) eingesessen hatte, war durch Errichtung von Zellen in einer Firma, ferner durch Kassierung von Beiträgen und Vertrieb von Schriften tätig.“

„Winterhalter, früher fanatischer Kommunist, hatte sich rührig für die Ausbreitung der Organisation eingesetzt, die Verbindung zwischen Lechleiter und Faulhaber aufrechterhalten, die Herstellung der Schrift „Der Vorbote“ geleitet und schließlich technische Anweisungen für ihre Vervielfältigung gegeben.“

„Die übrigen festgenommenen Personen sind überführt, an Treffs teilgenommen, andere für die illegale Arbeit gewonnen, Hetzschriften weiterverbreitet und ausländische Sender abgehört zu haben.“

Die Aufdeckung der „Lechleiter-Gruppe“ lieferte der Gestapo den Vorwand, auch Personen zu verhaften, die mit dieser Gruppe nichts zu tun hatten, deren nazifeindliche Haltungen jedoch bekannt waren. Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang 50-60 Antifaschisten verhaftet. Welche Umstände zur Verhaftung Lechleiters und seiner Mitstreiter führten, ist allerdings unbekannt geblieben.

Die Hinrichtungen der Lechleiter-Gruppe fanden am 15. und am 25. September 1942 durch das Fallbeil statt.

Käthe Seitz schrieb zum Abschied an ihre ebenfalls inhaftierte Tochter: „Der Krieg wird nicht mehr lange dauern und sein Ende, also der Sieg über unsere Gegner, bringt sicher vielen und auch Dir die Freiheit.“

Wichtige Nachrichten wurden in harmlose Tarnschriften mit unsichtbarer Tinte eingefügt. Auf Dauer waren aber auch solche Sicherheitsmassnahmen oft nicht unentdeckt geblieben.

Bei der Strafzumessung wurde auch nicht nur der Umfang der Taten sondern ebenso die Gesinnung der Angeklagten zu Grunde gelegt. Nach Auffassung des Gerichtshofes hatten sich die Angeklagten „zu den schwersten Verbrechen zusammengeschlossen, die es für einen deutschen Volksgenossen gibt, sie haben gewusst, dass ihnen die härtesten Strafen drohen und in Kenntnis dieses Umstandes trotzdem ihre Tat ausgeführt. Sie haben daher auf Milde keinen Anspruch“. Weiter: „Wer sich mit derartigen Volksschädlingen verbündet, hat ihr Schicksal zu teilen“. Schon am 21. Oktober 1942 begann der 2. große Prozess in Stuttgart. Angeklagt waren 11 Männer und Henriette Wagner. Das Urteil wurde schon 1 Tag später verkündet: Albert Fritz, Richard Jatzek, Ludwig Neischwander, Bruno Rüffer und Henriette Wagner wurden wegen Verteilung des „Vorboten“ zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte am 24. Februar 1943. Georg Fritz, Ernst Hahner und Hermann Müller erhielten Zuchthausstrafen von 8 Jahren, August Leinz und Otto Quick je 6 Jahre, Rudolf Mittel 5 Jahre, Otto Edenhofer 4 Jahre und Emil Frey 3 Jahre.

Der Zeitzeuge Ernst Hahner, berichtete später: „Durch besondere Umstände war ich am 7. Januar 1942 gezwungen, in meinem Keller 2 Zeitungen zu verstecken. Der Zufall wollte es, dass an diesem Tag einige Arbeiter in meinem Keller eine elektrische Leitung legen mussten und die Zeitungen fanden. Der Arbeiter S... lieferte die Zeitungen bei der Gestapo ab und ich wurde verhaftet, aber wieder freigelassen, da ich leugnete, etwas hiervon zu wissen. Ich wurde mit Jakob Faulhaber ins Landesgefängnis eingeliefert. Bei der ersten Vernehmung ... vernahm ich im Nebenzimmer lautes Schreien, und an der Stimme erkannte ich Kriminalsekretär F..., der gerade mit noch einem Beamten Georg Lechleiter misshandelte“.

In seinem Abschiedsbrief schrieb Lechleiter: „ Das höchste Ziel eines Menschen besteht darin, für andere zu leben, für andere sich aufzuopfern.“

Die Hinrichtung der Widerstandskämpfer der Lechleiter-Gruppe war der Schlusspunkt der Untergrundarbeit der KPD in Mannheim. Dennoch gab es weitere Verfolgungen gegen einzelne Kommunisten. So wurde im Oktober 1944 der Mannheimer Josef Rutz im KZ Sachsenhausen erschossen und noch im April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, Friedrich Dürr im KZ Dachau.

Aus dem Schwur den Häftlinge des KZ Buchenwald am 19. April 1945 formulierten und ablegten: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Nach dem Krieg haben sich selbstverständlich auch die aus Zuchthäusern und Konzentrationslagern befreiten Kommunisten führend am Mannheimer Wiederaufbau beteiligt. Zu nennen sind hier aus der ehemaligen KPD vor allem: Paul Schreck, Antonie Langendorf, Ludwig Kober, Kurt W. Weber, Hans Steiner, Ludwig Seizinger, Anton Wacker, Ernst Göltenboth, Jakob Ritter und August Locherer.

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Geleitwort
Vorwort
Hohe Arbeitslosigkeit
Reichstagswahlen
Uneinigkeit der demokratischen Parteien
Verfassung außer Kraft
"Säuberungsaktion" in Mannheim
Reichsbanner
Erste antifaschistische Aktivitäten
Beispiel Jakob Baumann
Verhaftungswelle 1936/ 1937
SAP
"Neu Beginnen"
KPD
Denunziation in der Familie
Widerstand in Waldhof
Die Gruppe Gartenstadt
Die Lechleiter-Gruppe
"Druckerei" im Keller
Schreibmaschine & Abziehapparat
Die Kirchen
Die Katholiken
Arbeiter- und Gesellenvereine
August Kuhn
Der Protestantismus
Dr. Karl Gérard
Zeugen Jehovas
Bekannte Widerstandsguppen
Sinti, Roma, Juden
Der 20. Juli 1944
Schlusswort
Quellen und Literaturverzeichnis